Montag, 26. Oktober 2015

Gedanken zum Gesundwerde

Liebe Bloggergemeinde,
ich habe mich länger nicht mehr gemeldet. Das hatte seinen Grund. Ich wollte Abstand und den habe ich mir genommen. Das alltägliche Lesen und Schreiben von der Essstörung kam mir krank vor. Und ganz ehrlich, das IST es ja auch.
Aber es hilft auch. Und genau deshalb bin ich wieder hier. Mir ist viel Aufgefallen an meiner Essstörung und meinem Leben damit. Nach guten zehn Jahren, die sich mehr oder weniger nonstop jeden Tag, jede Nacht ums Essen drehen, wird es mir so langsam lästig.

Mir ist aufgefallen, dass ich eigentlich glücklich bin. Mit mir, meiner Figur und meinem gesamten Leben. Es klingt vermutlich kitschig, aber ich liebe es sogar. Was mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung, ist, dass ich nicht normal essen kann. Dass das Essen viel zu oft zwanghaft ist und einen zu großen Stellenwert spielt.

Es ist ja nichtmal mehr so, dass ich gar nicht essen will. Essen gehen macht mir Spaß, schön kochen auch. Aber ich habe nach wie vor Angst, zuviel zu essen oder habe bereits gegessen, wenn spontane Einladungen eintrudeln.

Allem voran ist aber leider immer noch die Bulimie. Momentan ist es besonders schlimm. Mir fällt es einfach unheimlich schwer, nicht zu fressen und zu kotzen. Ich habe nichtmal Fressanfälle, ich wiege momentan sowenig, wie schon lange nicht mehr. Es ist mehr diese Ventilfunktion, dieses Ausbrechen, was ich so daran liebe. Ja, liebe. Die Bulimie ist meine Droge. Die letzten Wochen habe ich meist 6 von 7 Tagen normal leben können und bin am 7. dann eingebrochen. Manchmal noch am Tag danach. Ich weiß nichtmal, warum. Aber das zieht meine Laune Woche um Woche runter und das ist unheimlich schade. Auch macht es meinem Körper sehr zu schaffen und ich merke, dass so langsam bleibende Schäden an die Oberfläche kommen.

Meine Gedanken dazu: Warum bin ich essgestört? Ich bin sehr dünn, aber nicht unbedingt krankhaft dünn. Ich esse wenig und manchmal arg wenig, aber das gleicht sich meist in den Tagen danach wieder aus. Ich lebe, habe viele Freunde und bin echt glücklich. Aber die Bulimie bringt immer diesen grauen Schleier rein. Und das möchte ich nicht mehr. Kann man nicht irgendwo einen Schalter umlegen und nichtmehr essgestört sein?

Vorhin nach dem Abendessen habe ich kurz überlegt, ob ich mich kurz ruhig einmal hinsetzten und entspannen soll. Sattsein ist schön! Und selbst, wenn man übersatt ist, hackt der Magen das über Nacht klein und am nächsten Tag hat man wieder Hunger. Essen, bis man satt ist. Wo ist da bitte das Problem? Wie dem auch sei, ich wollte mich kurz im Schneidersitz hinsetzen und mich einfach erfreuen, schön Pizza gegessen zu haben und nun satt und zufrieden zu sein. Bei gesunden Menschen, fängt dann das Leben erst an. Bei uns Essgestörten hört es auf. Ganz ganz selten bin ich nach dem Abendessen nochmal unterwegs. Nach dem Abendessen ist der Tag für mich vorbei. Irgendwie macht mich das traurig...

Aber ihr, ihr selbst etwas anderen Menschen vor euren Computern: Was denkt ihr dazu? Ich muss ganz ehrlich sagen, ich könnte mich vom Dünnsein wollen nicht loseisen. Aber ich könnte mich liebedgerne von dem Zwang verabschieden. Wie gesagt, ich esse. Mal mehr, mal weniger. Großteils sehr gesund mit viel Obst und Gemüse, manchmal aber auch einfach worauf ich Bock hab. Das Problem dabei ist aber, dass ich nonstop daran denke und mich damit beschäftige. Und es mir dadurch sehr oft eben im Weg steht. Wenn ich am Wochenende feiern gehe, darf ich (warum auch immer, über die Jahre so angewöhnt) ab dem Frühstück nichts mehr essen. Manchmal verdrück ich dann richtig viel, weil ich ja nichts mehr essen 'darf'. Dinnerdates mit anschließend feiern gibt es bei mir nicht. Und das finde ich schade. Vor allem, weil ich mir besonders in letzter Zeit, in der ich nochmal ein paar Kilo abgenommen habe, denke, dass ich doch eigentlich mal vorm Feiern noch etwas essen könnte. Dann könnte ich besser schlafen, hätte diese mollige Wärme im Bauch und rausstehen tut der Bauch ohnehin nicht mehr. Aber es geht irgendwie nicht.

Und dann stellt sich mir die Frage: Komme ich von der Bulimie weg, wenn ich meinen Kopf durch immerzu zu wenig essen doch angreifbar mache für die Bulimiegedanken? Vermutlich nicht. Will ich gesund werden? Ich würde sagen, ja. Aber zunehmen, das will ich nicht. Wobei ich sagen würde, dass ich nichtmal langfristig zunehmen würde. Aber wer weiß das schon.

Ich weiß nicht, ob das nach meiner langen Abstinenz nun irgendwer lesen wird. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr ein paar Gedanken und Erfahrungen dalassen würdet. Ich werde mir auch nochmal meine Gedanken machen. Macht es gut.

das war ein 'Snack'

zum Wachwerden: Obst und Kaffee

48-50 Kilo bei 1,70m momentan



5 Kommentare:

  1. Hey :) Ich glaube, es ist egal, wie viel oder wenig man isst - es wird einem erst besser gehen, wenn man nicht mehr diese ablenhenden Gefühle dem Essen gegenüber hat. Wenn man mit dem Gedanken, so wenig wie möglich zu essen und so dünn wie möglich zu bleiben isst, dann wird es sich immer mies anfühlen. Man kann sich selbst nicht richtig entfalten und fühlt sich nicht frei. Weißt du noch, was essen früher für ein gutes Gefühl war? Ich erinnere mich, dass Zucker und Fettiges mich total "high" gemacht haben, also es hat sich gut angefühlt, etwas in mich "aufzunehmen" und ich habe mich gestärkt und sicher gefühlt.
    Wir beide versuchen glaube ich, das Unwohlsein, das Essen in uns auslöst, so gut es geht zu verdrängen, aber solange wir das tun, werden wir nie Frieden mit uns selbst schließen und uns richtig ausleben können.
    Du kennst doch Abenteuerfilme, oder? Oder.. nehmen wir "Warm Bodies", falls du den kennst. In solchen Filmen spielen Hauptdarstellerinnen manchmal eine "starke" Rolle, rennen und schießen und sowas. Es wirkt, als fühlten sie sich stark in ihrem Körper und als hätten sie ein tolles Körpergefühl. Nicht das, was wir unserem Körper gegenüber haben.
    Ich glaube, wenn wir uns jemanden vorstellen, den wir bewundern und der Normalgewicht hat und uns denken, dass es doch gar nicht so schlimm wäre, ein paar Kilo zuzunehmen und auch so auszusehen wie derjenige, dann fällt eine riesige Last von uns ab. Wenn wir uns wirklich (!) erlauben, zuzunehmen, dann können wir Essen wieder genießen und in uns aufnehmen WOLLEN und uns stark und sicher fühlen. Solange wir uns aber gegen das Zunehmen sträuben, wird da immer ein Krieg in uns sein.
    Liebe Grüße <3

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  2. hey du, boah dein gewicht ist ja ein traum! da werd ich gleich ganz neidisch :P was sind das denn bei deinem "snack" für gemüse?-teile an der linken seite, die schauen ziemlich lecker aus :) sind die selbst gemacht? :) & die kalorien würden mich noch interessieren ;) zu deinem post, ich strebe ja nach wie vor das dünnsein an und kann dich voll verstehen, nicht loslassen zu können. die ständigen gedanken ums essen & nicht-essen begleiten mich leider auch jeden tag, aber ich versuch mich meistens abzulenken. beim feiern mach ich das fast ähnlich, nur umgekehrt :P ich esse direkt vor der feier was, weil ich mir dann denk "ok, du gehst tanzen, da verbrennst du eh die kalorien" und ein angenehm voller bauch ist immer eine gute grundlage zum alk trinken oder für was auch immer ;) dafür ess ich halt tagsüber immer nichts. hmja ich wünsch dir noch einen tollen tag & ich finds schön, dass du nach so langer zeit mal wieder was geschrieben hast :) liebe grüße <3

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  3. am ende zählt das ergebnis und 170=49/50 is grundsolide... mit aversion/restriktion vor mit spontan essen find ich persönlich verzeihbar (also ich kanns auch oder zumindest ne) weil unsicherheit is schlecht für die psyche... beisammensein muss ja ne imma nur mit essen gefeiert werden.
    das mit der bulimie als droge allerdings weniger solide, das klingt echtma gefährlich.
    "Ganz ganz selten bin ich nach dem Abendessen nochmal unterwegs. Nach dem Abendessen ist der Tag für mich vorbei. Irgendwie macht mich das traurig" ist bei mir 1:1 genauso, desw. esse ich nur noch erst ab 22 uhr, damit ich wenigstens so viel wie möglich vom tag genießen kann ;-) sich im kleinen helfen sozus...
    "ich könnte mich vom Dünnsein wollen nicht loseisen" ich au ne. also tu ich's au ne, würd dann eh schief gehen... denn wie du sagst, man muss sich in seinem körper wohlfühlen, und wenn andere als zu dünn sehn, dann is das ihre geschmackssache, da muss man sich von freimachen/distanzieren...
    hab mir alkohol zum glück weitesgehend abgewöhnt aber wenn dann isses bei mir genauso, wenn ich weiß es gibt wein/sekt odaso dann gibts an dem tag nur obst und dann hab ich au keine (neg.) gedanken mea dies bezgl., weil sicher das ne zu wenig/viel kcal.
    bulimie kenn ich mich ne aus, kenn auch ne die empirischen zahlen wie hoch dass die heilungsquote ist, aber mein verstand sagt mir es gibt dünne menschen die nicht bulemisch sind und es gibt mensch die sich geheilt haben. vg

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  4. Erst einmal hallo neue Wegbegleiterin :)
    Zu allen deinen Worten kann ich nicht viel hinterlassen. Ich persönlich bin weniger essgestört.. aber ich kann z.B. verstehen,dass du dünn bleiben,aber gesund sein willst. Daran ist nichts verwerflich. Ich liebe essen,kochen,backen,aber auch ich esse vor dem Feiern wenig bis kaum,weil ich mir sage,ich habe keine Zeit dazu. Ich könnte mir die Zeit nehmen,aber das ist anstrengend. Und manchmal ist auch das Gefühl von Hunger warum auch immer nicht verwerflich für mich. Natürlich liegt hier der Unterschied darin,dass du noch Angst hast.. aber ich hoffe,die schwindet! Und außerdem.. kann man alles besiegen. Nie für immer,einfach is es schon gar nich,aber deine Denkweise geht in die richtige Richtung und das ist sehr gut! <3

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  5. Hey du,
    ich habe eine Weile hin und her überlegt, ob ich meine Gedanken dazu hierlassen soll, weil ich nicht sicher bin, ob du sie hören magst - wenn nicht, kannst du den Kommentar ja löschen.
    Ich denke nicht wie die anderen Kommentatoren.
    Ich denke nicht, dass es egal ist, wie viel oder wenig man ist - ich glaube, genügend zu essen, ist die Voraussetzung dafür, zu leben. Das ablehnende Gefühl dem Essen gegenüber zu überwinden als primäres Ziel zu haben halte ich für... schwierig. Es geht gegen das, was die ES einem einflüstert, da kann man einfach nicht erwarten, dass es einem gefühlsmäßig gut dabei geht. Dennoch halte ich das Essen für eine notwendige Voraussetzung dafür, dieses Gefühl gehen zu lassen. Ganz langsam. Und damit auch die permanente gedankliche Beschäftigung mit dem Essen - du kennst bestimmt das Minnesota Starvation Experiment (einen Eintrag findest du auf Wikipedia).
    Dein Gewicht in Relation zu deiner Größe halte ich weder für "grundsolide" noch für einen "Traum", sondern für "krankhaft dünn". Frag dich selbst: Wie geht es meinem Körper? Wie geht es meiner Haut, meinen Nägeln, meine Zähnen, meiner Körpertemperatur? Esse ich das, was meinem täglichen Bedarf entspricht?
    Bisher hatte ich bisher weder eine(n) MitpatientIn noch eine(n) KlientIn, der oder die ohne regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten - und damit natürlich auch einem Normalgewicht - aus der Bulimie herausgefunden hätte. Das heißt, um deine Frage zu beantworten: Ich denke nicht, dass du auf diese Art - zu wenig essen und Untergewicht - von deinen Essstörungen wegkommst.
    Du stehst gerade vor einer wichtigen Entscheidung.
    Der Entscheidung, was dir im Leben wichtig ist.
    Ich wünsche dir, dass du eine für dich langfristig kluge Wahl triffst.
    Anna.

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