Dann kam ich zurück, habe geweint, es fühlte sich falsch an. Ich fühlte mich fremd mit meiner Sorglosigkeit und meinem Strahlen im Gesicht. Lief auf der falschen Seite der Straße und sprach jeden an und keiner antwortete mir.
Es fühlt sich nach wie vor falsch an. Die Essstörung ist nun wieder riesengroß, ich werde wieder härter, innerlich wie äußerlich. Als würde ich das brauchen, um in Deutschland klar zu kommen. Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mein Lächeln verschwindet, dass ich nach dem zwanzigsten rücksichtslosen Menschen am Tag einfach nicht mehr freundlich sein kann. Obwohl ich es innen drin bin, also, schon. Aber wenn einem den ganzen Tag ernste starre Mienen begegnen, Leute in dich reinlaufen und dich nichtmal angucken und höchstens ein Entschuldigung nuscheln (eigentlich gucken sie dich meist böse an und schieben dir die Schuld zu), kann ich irgendwann nicht mehr. Es macht einem zu schaffen, es tut einem fast weh. Man möchte doch nur etwas Wärme erfahren, aber Deutschland ist kalt und locker 60% der Bevölkerung ist kalt nach außen hin. Fremden gegenüber. Selbst untereinander. Wo ist das lächeln auf den Lippen, das Lachen?
Mit Erschrecken stelle ich auch fest, dass ich langsam doch ankomme. Dass ich wieder in diese Kreise eintauche, in denen ich vorher war. Dass alte Ziele und Werte wieder aufleuchten. Australien verschwindet in der Ferne und das tut unglaublich weh. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, mir hier eine neue Wohnung zu suchen und mich einzuigeln in dem deutschen Trott. Und zu hoffen, dass doch ein bisschen was von meiner Lebensfreude erhalten blieb und ich sorgloser leben kann hier.
Dann wiederum erinnere ich mich an die Erinnerung an Australien. Klingt kompliziert, ist es auch. Das alles ist so weit weg. Ich erinnere mich bloß, dass ich glücklicher war. Ich habe zwar vieles vermisst, aber innen drin, da ging es mir gut. Vor allem (und das wird mir erst jetzt wirklich klar, wo die Essstörung wieder größer wird) konnte die Lebensfreude mir das Essen erleichtern. Heißt nicht, dass ich mit mir zufrieden war. Aber es war okay. Ich konnte essen. Ich habe mich zum fast ersten Mal in meinem Leben bewusst ernährt. Und das fällt mir erst jetzt auf, wo ich das nicht mehr hinbekomme. Wie ernährt man sich? Wie lebt man spontan, wie trifft man Freunde und kombiniert das mit seinen Essplänen? Ich bin aufgeschmissen. In Australien war es so einfach und hier.. hier versinke ich wieder in der Essstörung. Ich hatte sogar einen Bulimierückfall, wenn auch einen kleinen. Aber es war Bulimie. Trotzdem erlaube ich mir, die Tage weiter zu zählen. Es heißt ab nun an eben: "Ich habe nun fast 200 Tage geschafft, in denen ich nur einen Rückfall hatte". Ich hoffe, es hilft...
Wie ich nun weiter mache? Nun, ich erledige, was zu erledigen ist und rede mir die Sache mit Wohnung hier suchen und in Deutschland bleiben so gut es geht aus. Stattdessen suche ich eine Möglichkeit, nochmal zurück zu können. Dieses Hin und Her ist bloß unheimlich anstrengend und lässt mich irgendwie nicht richtig ankommen und nicht richtig fern bleiben.
Essen tue ich nun wieder mehr und mehr wie vor meiner Reise. Das Erlernte verschwindet Tag um Tag und zurück kehre ich in alte Muster. Ich merke den Fortschritt meines Körpers. Er brauch nun mehr Nahrung, da er ja nun länger mehr bekommen hat. Er ist hungriger. Und genau das macht mir Angst. Ich bin es nicht gewohnt, meinen Körper mit diesem Hunger und meinen Kopf mit den alten Gedanken unter einem Dach zu haben. Versucht mal von nur Obst morgens satt zu werden. Ich scheitere. Ich nehme mir ein Brötchen und fühle mich schrecklich und schuldig, obwohl ich in Australien zwei aß und ne Stunde später wieder Hunger hatte und noch mehr aß. Aber hier in Deutschland fällt "normal" Essen unglaublich schwer. Meistens esse ich Obst und Gemüse und lege Treffen so, dass da nichts dazwischen kommt. Und ich hasse mich dafür. Und ich muss das ändern. Denn ganz im Ernst, meistens geht der Plan ja doch in die Hose und man tut besser daran, mit Freunden und Familie zusammen zu essen und sich bei normalem zu beherrschen, anstatt eine Mega Portion Gemüse zu essen und den gesamten Abend von Heißhunger geplagt zu werden.
Ich möchte es schaffen, hier normal zu leben. Das Blöde ist, ich glaube, dass eine eigene Wohnung mir mehr als helfen würde. Es würde mir helfen, in jenes Leben hinein zu kommen. Was soll ich bloß tun?
Goodbye my Love |
Frühstück, Standart: Obst, Sojamilchkaffee |