Samstag, 19. April 2014

Tag 199 Rückfall und Deutschland

Zurück in Deutschland, seit ein paar Tagen nun schon und in mir drin ist alles durcheinander. So groß war das Heimweh und an meinem letzten Tag war es verschwindend gering. Es fühlte sich falsch an, zu gehen. Wie aufgeben.
Dann kam ich zurück, habe geweint, es fühlte sich falsch an. Ich fühlte mich fremd mit meiner Sorglosigkeit und meinem Strahlen im Gesicht. Lief auf der falschen Seite der Straße und sprach jeden an und keiner antwortete mir.
Es fühlt sich nach wie vor falsch an. Die Essstörung ist nun wieder riesengroß, ich werde wieder härter, innerlich wie äußerlich. Als würde ich das brauchen, um in Deutschland klar zu kommen. Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mein Lächeln verschwindet, dass ich nach dem zwanzigsten rücksichtslosen Menschen am Tag einfach nicht mehr freundlich sein kann. Obwohl ich es innen drin bin, also, schon. Aber wenn einem den ganzen Tag ernste starre Mienen begegnen, Leute in dich reinlaufen und dich nichtmal angucken und höchstens ein Entschuldigung nuscheln (eigentlich gucken sie dich meist böse an und schieben dir die Schuld zu), kann ich irgendwann nicht mehr. Es macht einem zu schaffen, es tut einem fast weh. Man möchte doch nur etwas Wärme erfahren, aber Deutschland ist kalt und locker 60% der Bevölkerung ist kalt nach außen hin. Fremden gegenüber. Selbst untereinander. Wo ist das lächeln auf den Lippen, das Lachen?

Mit Erschrecken stelle ich auch fest, dass ich langsam doch ankomme. Dass ich wieder in diese Kreise eintauche, in denen ich vorher war. Dass alte Ziele und Werte wieder aufleuchten. Australien verschwindet in der Ferne und das tut unglaublich weh. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, mir hier eine neue Wohnung zu suchen und mich einzuigeln in dem deutschen Trott. Und zu hoffen, dass doch ein bisschen was von meiner Lebensfreude erhalten blieb und ich sorgloser leben kann hier.

Dann wiederum erinnere ich mich an die Erinnerung an Australien. Klingt kompliziert, ist es auch. Das alles ist so weit weg. Ich erinnere mich bloß, dass ich glücklicher war. Ich habe zwar vieles vermisst, aber innen drin, da ging es mir gut. Vor allem (und das wird mir erst jetzt wirklich klar, wo die Essstörung wieder größer wird) konnte die Lebensfreude mir das Essen erleichtern. Heißt nicht, dass ich mit mir zufrieden war. Aber es war okay. Ich konnte essen. Ich habe mich zum fast ersten Mal in meinem Leben bewusst ernährt. Und das fällt mir erst jetzt auf, wo ich das nicht mehr hinbekomme. Wie ernährt man sich? Wie lebt man spontan, wie trifft man Freunde und kombiniert das mit seinen Essplänen? Ich bin aufgeschmissen. In Australien war es so einfach und hier.. hier versinke ich wieder in der Essstörung. Ich hatte sogar einen Bulimierückfall, wenn auch einen kleinen. Aber es war Bulimie. Trotzdem erlaube ich mir, die Tage weiter zu zählen. Es heißt ab nun an eben: "Ich habe nun fast 200 Tage geschafft, in denen ich nur einen Rückfall hatte". Ich hoffe, es hilft...

Wie ich nun weiter mache? Nun, ich erledige, was zu erledigen ist und rede mir die Sache mit Wohnung hier suchen und in Deutschland bleiben so gut es geht aus. Stattdessen suche ich eine Möglichkeit, nochmal zurück zu können. Dieses Hin und Her ist bloß unheimlich anstrengend und lässt mich irgendwie nicht richtig ankommen und nicht richtig fern bleiben.

Essen tue ich nun wieder mehr und mehr wie vor meiner Reise. Das Erlernte verschwindet Tag um Tag und zurück kehre ich in alte Muster. Ich merke den Fortschritt meines Körpers. Er brauch nun mehr Nahrung, da er ja nun länger mehr bekommen hat. Er ist hungriger. Und genau das macht mir Angst. Ich bin es nicht gewohnt, meinen Körper mit diesem Hunger und meinen Kopf mit den alten Gedanken unter einem Dach zu haben. Versucht mal von nur Obst morgens satt zu werden. Ich scheitere. Ich nehme mir ein Brötchen und fühle mich schrecklich und schuldig, obwohl ich in Australien zwei aß und ne Stunde später wieder Hunger hatte und noch mehr aß. Aber hier in Deutschland fällt "normal" Essen unglaublich schwer. Meistens esse ich Obst und Gemüse und lege Treffen so, dass da nichts dazwischen kommt. Und ich hasse mich dafür. Und ich muss das ändern. Denn ganz im Ernst, meistens geht der Plan ja doch in die Hose und man tut besser daran, mit Freunden und Familie zusammen zu essen und sich bei normalem zu beherrschen, anstatt eine Mega Portion Gemüse zu essen und den gesamten Abend von Heißhunger geplagt zu werden.

Ich möchte es schaffen, hier normal zu leben. Das Blöde ist, ich glaube, dass eine eigene Wohnung mir mehr als helfen würde. Es würde mir helfen, in jenes Leben hinein zu kommen. Was soll ich bloß tun?

Goodbye my Love

Frühstück, Standart: Obst, Sojamilchkaffee

4 Kommentare:

  1. Es tut mir echt unglaublich weh, sowas zu lesen. Aber das mit der Freundlichkeit kenne ich. Ich war mal in Spanien im Urlaub und war überrascht, als ich gemerkt habe, wie nett die Menschen dort miteinander reden, obwohl sie sich gar nicht kennen. Meine Großtante ist Spanierin und die war damals dabei. Die hat sich auch der Straße mit irgendeiner Frau unterhalten und ich fragte sie dann, woher sie denn die Frau kennt. Da meinte sie, dass sie die nicht kennen würde und sich einfach nur so mit ihr unterhalten hat. Sowas macht in Deutschland keiner und das ist echt traurig, wie kalt man hier mit Menschen umgeht, nur weil man sie nicht kennt.

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  2. Ach Mensch man verspürt richtig deine Sehnsucht nach Australien und ich kann mir nur zu gut vorstellen wie schwer es sein muss, wenn man sich nach einer so langen Zeit erst einmal wieder an alles gewöhnen muss.
    Dir scheint es dort echt sehr gut ergangen zu sein und du konntest wieder etwas unbeschwerter und freier am Leben teilnehmen was dir hier wohl sehr große Schwierigkeiten bereitet.
    Vielleicht war es dort auch ein Zufluchtsort für dich und ich hoffe du findest eine hilfreiche Lösung um auch hier nicht vor den gesamten Problemen wegzulaufen, sondern mit ihnen auszukommen.
    Die eigene Wohnung hatte mir damals auch sehr geholfen und, wenn es das ist was dir etwas mehr Freiraum geben würde, wäre die Überlegung vielleicht wirklich sinnvoll.

    Nun zu deiner Frage:
    Ich werde erst im Juni wegen meiner Schule in die Klinik gehen und habe schon riesigen Bammel davor aber umgeben bin ich auch von einer Hülle voller Hoffnung und Zuversicht, danke der Nachfrage :*

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  3. als meine schwestern vor ein paar monaten aus ihrer weltreise zurück gekommen ist, ist sie auch erst mal in ein "loch" gefallen. hoffentlich gehts dir bald besser. ich glaube mit der neuen/alten kultur wieder zurecht zu kommen,ist gar nicht so einfach.
    hattest du schon ein paar schöne erlebnisse und wiedersehen hier in dland? zb über ostern?
    lg leuka

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  4. Natürlich ist es schwer realistisch und gesund durchs leben zu gehen und man flüchtet sich so schnell wieder in die Essstörung wenn man keine gerade Linie in seinem Leben hat. Wie geht es dir denn?

    Liebste Grüße, Jacki.
    Ach PS. : Wie war dein Osternn?

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